Samstag, 17. Juni 2017

Rezension | "Junktown" von Matthias Oden

Heyne | Broschiert | 400 Seiten | 9. Mai 2017 | 978-3453318212

"High zu sein, ist das Beste, was unser Körper leisten kann, aber ich will dann high sein, wann ich es will, [...]" // Seite 311


Abstinenz ist Hochverrat!
Diese Zukunft ist ein Schlaraffenland: Konsum ist Pflicht, Rauschmittel werden vom Staat verabreicht, und Beamte achten darauf, dass ja keine Langeweile aufkommt. Die Wirklichkeit in »Junktown«, wie die Hauptstadt nur noch genannt wird, sieht anders aus. Eine eiserne Diktatur hält die Menschen im kollektiven Drogenwahn, dem sich niemand entziehen darf, und Biotech-Maschinen beherrschen den Alltag. Als Solomon Cain, Inspektor der Geheimen Maschinenpolizei, zum Tatort eines Mordes gerufen wird, ahnt er noch nicht, dass dieser Fall ihn in die Abgründe von Junktown und an die Grenzen seines Gewissens führen wird. Denn was bleibt vom Menschen, wenn der Tod nur der letzte große Kick ist?

 
Junktown war vom Klappentext her ein Buch, das mir einfach hätte gefallen müssen. Ich mag den Gedanken einer zukünftigen, dystopischen Welt sehr gerne, lasse mich auch gerne von verschiedenen Autoren auf ihre kreative Reise mitnehmen und bin doch jedes Mal überrascht, welche Wege dort eingeschlagen werden und wie erschreckend sich eine Welt entwickeln kann. Junktown hat mir da einiges versprochen. Vieles davon konnte das Buch halten, einiges hat mich aber auch enttäuscht.

Denn genau das ist der Punkt. Mir fällt es unglaublich schwer, zu diesem Buch eine Rezension zu schreiben, denn ich habe beim Lesen zwischen purer Faszination und unbefriedigender Ernüchterung geschwankt. Zur Faszination selbst beigetragen hat auf jeden Fall diese Konum-Welt an sich. Das Setting war großes Kino. Einerseits ist es sehr schön ausgearbeitet, es klang von vorne bis hinten gut durchdacht und logisch aufgebaut und eine Konsumgesellschaft, in der Abstinenz Hochverrat ist und es normal ist, die Frage zu stellen, mit welcher Droge man sein Getränk serviert bekommen möchte, ist ein eigentlich ein Selbstläufer in Sachen atemberaubendes Feeling und grenzloser Begeisterung.

Aber andererseits hatte ich auch sehr oft das Gefühl, dass Matthias Oden sich die Welt in seiner Fantasie und in seinem Kopf gut zurechtgelegt, an alles gedacht und vieles davon für den Leser aufgeschrieben hat, aber auch nicht wirklich vermitteln konnte, was genau er damit meinte. Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, was die verschiedenen dystopischen Elemente in dieser Welt sind, wer dort etwas zu sagen hat, was aus dem alten System geworden ist und was daraus übernommen wurde. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, wie ich mir eine Brutmutter real vorstellen sollte, was der "Goldene Schuss" überhaupt bedeutet und wie sich diese neue Welt überhaupt revolutionieren konnte. Und weil ich eben genau damit so meine Probleme hatte, konnte sich in meinen Gedanken kein wirkliches Kopfkino entwickeln, ich konnte mich nicht in die Geschichte fallen lassen und hatte irgendwie immer das Gefühl nur am Rand zu stehen, statt mittendrin zu sein.

Zugegebenermaßen muss ich an dieser Stelle hinzufügen, dass ich bestimmt einiges leichter verstanden hätte, wenn ich gewusst hätte, dass das Buch im Anhang ein Abkürzungsverzeichnis enthält. Aber erstens vertrete ich die Meinung, dass ein Buch kein Abkürzungsverzeichnis haben sollte, denn der Autor sollte in der Lage sein, seine selbst erfundenen Inhalte und Zusammenhänge auch innerhalb seines Textes erklären zu können. Und zweitens bin ich mir nicht sicher, ob es mir wirklich weitergeholfen hätte. Denn ich wollte zum besseren Verständnis nicht unbedingt eine Begriffserklärung, sondern eine ausführliche Beschreibung. Eine Beschreibung eines Autors, der seinen Leser in allen Einzelheiten und Details erklärt, wie sein eigenes Kopfkino aussieht. So dass es dem Leser letztlich auch leichter fällt, seinen Ausführungen zu folgen und sein eigenes Kino zu erzeugen. Als Tipp kann ich euch trotzdem an dieser Stelle mitgeben, das Inhaltsverzeichnis (und das Abkürzungsverzeichnis) zu durchforsten. Das Inhaltsverzeichnis als solches überspringe ich eigentlich so gut wie immer, um mich von eventuellen Kapitelüberschriften oder Seitenzahlen (die das Ende eines Kapitels angeben) nicht spoilern oder beeinflussen zu lassen. Das war wohl in diesem Fall ein Fail meinerseits.




Die Charaktere haben mich aus dieser zeitweisen Frustration wieder rausgeholt. Sowohl Solomon Cain, als auch seine menschlichen Kollegen und die Tatverdächtigen bzw. Zeugen sind im Gegensatz zum Setting sehr stark gezeichnet und wirkten auch sehr authentisch in dieser Konsumgesellschaft. Cain ist ein cleverer Polizist, der seine Kollegen mit seinem unüblichen Verhalten öfters mal überrascht, aber trotzdem sehr beliebt zu sein scheint. Seine persönliche Verganegnheit und sein gegenwärtiges Auftreten fand ich jedoch sehr überzeugend und es hat mir auch Spaß gemacht, seinen Gedanken und Schlussfolgerungen zu folgen. Trotzdem hätte ich mir, gerade gegen Ende, von ihm eine stärkere Positionierung in eine gewisse Richtung gewünscht. Ausführen möchte ich das jetzt nicht weiter, um für den unwissenden Leser eventuelle Spoiler zu vermeiden und euch Entscheidungen am Ende nicht vorwegzunehmen.

Auch wenn ich mich ein bisschen durch die Welt und den Fall gequält habe, muss ich sagen, dass der Schluss und vor allem der letzte Satz meine persönliche Vorliebe für Roman-Enden mehr als getroffen hat und ich ihn daher schlicht als bombastisch bewerte. Ich mag es ja sehr gerne, wenn eine Geschichte mit einem Knall endet, wenn sich nicht alles so langsam ausläuft und schleppend zu einem Ende findet, sondern, wenn ich überrascht werde. Wenn ich ein Buch zuklappe und denke: "Wow, was war das denn?". Ich hatte mit dieser Entwicklung auch nicht wirklich gerechnet, was bei mir einen positiven Eindruck hinterlässt. Gerade die letzten 50 Seiten werden nochmal richtig spannend und lassen die Geschichte auch nochmal in einem anderen Licht erscheinen.

Der Schreibstil des Autors war in Ordnung. Sicher gab es einige Stellen, die richtig spannend erzählt waren und auch den Fall fand ich gut aufbereitet und erklärt, aber für mich persönlich war es in der Konsequenz, gerade im Hinblick auf das World-Building, ein bisschen zu wenig. Das Buch an sich verliert an Charme und an Überzeugung, wenn man nicht richtig folgen kann, wenn man sich Sachverhalte, Orte und verschiedene Inhalte nicht wirklich vorstellen kann. Trotzdem werde ich sicher wieder zu Büchern des Autors greifen, denn seine kreativen Gedanken und seine Ideen sind wirklich schwer zu toppen.

Junktown bietet eine Fülle an Plotidee, kreativer Basis und grenzenlosem Potential, das für mich aber leider bei der Umsetzung nicht wirklich ausgeschöpft werden konnte. Ansatzweise habe ich mich in dieser Welt, mit diesen Charakteren sehr wohl gefühlt. Ich hatte aber auch Schwierigkeiten, mir Passagen und Inhalte bildlich vorzustellen, was dazu geführt hat, dass der Charme verloren ging und die Geschichte ein bisschen schleppend wirkte. Trotzdem freue ich mich auf den nächsten Roman des Autors, weil er mich mit seiner Grundidee mehr als überzeugen konnte.


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Vielen Dank an die Verlagsgruppe Random House für das Rezensionsexemplar.
 Habt ihr Junktown schon gelesen?
Steht es auf eurer Wunschliste?
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

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Das Urheberrecht des Klappentextes unterliegt der Verlagsgruppe Random House.
Das Urheberrecht des Titelbilds unterliegt einzig und allein der Blogredaktion.

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