Freitag, 28. Oktober 2016

Rezension | "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" von Joachim Meyerhoff


Kiepenheuer&Witsch | eBook | 352 Seiten | 12. November 2015 | 978-3462048285

"Ich war erschüttert von der Gnadenlosigkeit des archaischen Aktes des Verscharrens, erschüttert von der unumstößlichen Grausamkeit, meinen Bruder in einer Kiste unter der Erde zu wissen." // eBook Seite 31

Die Kindheit auf dem Gelände einer riesigen Psychiatrie und das Austauschjahr in Amerika liegen hinter ihm, der gerade zwanzig gewordene Erzähler bereitet sich auf den Antritt des Zivildienstes vor, als das Unerwartete geschieht: Er wird auf der Schauspielschule in München angenommen und zieht in die großbürgerliche Villa seiner Großeltern in Nymphenburg.Seine Großmutter ist eine schillernde Diva und selbst ehemalige Schauspielerin, sein Großvater emeritierter Professor der Philosophie, eine strenge und ehrwürdige Erscheinung. Ihre Tage sind durch abenteuerliche Rituale strukturiert, bei denen Alkohol eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Unter ihrem Einfluss wird der Erzähler zum Wanderer zwischen den Welten. Tagsüber an der Schauspielschule systematisch in seine Einzelteile zerlegt, ertränkt er abends seine Verwirrung auf dem opulenten Sofa in Rotwein und anderen Getränken. Aus dem Kontrast zwischen großelterlichem Irrsinn und ausbildungsbedingtem Ich-Zerfall entstehen die ihn völlig überfordernden Ereignisse. Zugleich entgeht ihm nicht, dass auch die Großeltern gegen eine große Leere ankämpfen, während er auf der Bühne sein Innerstes nach außen kehren soll und dabei fast immer grandios versagt.

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke ist mein erstes Buch vom hochgelobten Autor Joachim Meyerhoff. Um dieses Buch bin ich lange herumgeschlichen, schließlich sind die Amazon Bewertungen fast durchweg sehr gut. Doch trotz all dieser guten Meinungen und Rezensionen hat mich die Geschichte rund um den jungen Joachim nicht wirklich überzeugen können.

Die einzelnen Facetten, die dieses Buch zu bieten hat, fand ich recht überzeugend, schließlich ist es eine Biographie, die mich interessiert hat. Der Tod des Bruders, die Frage, ob Medizinstudium oder Schauspielschule, der Einzug bei den Großeltern mit ihrem absonderlichen Verhalten und merkwürdigen Tagesplänen, die Überforderung hinsichtlich seiner Berufswahl. Das alles hörte sich großartig an, nach viel Potenzial, einigem an Lebenserfahrung und Zweifel, aber trotzdem habe ich mich fast durchgängig gelangweilt. Die Geschichte konnte mich nicht wirklich berühren oder ansprechen.

Schuld daran sind nicht die Personen, die im Leben von Joachim eine Rolle spielen (seine Großeltern haben doch eine gewisse Würze in die Geschichte gebracht), auch nicht unbedingt der Schreibstil. Es passierte mir in dem Buch einfach viel zu wenig. Es hatte für mich leider kaum Unterhaltungswert. Die ständigen Wiederholungen des Tagesablaufs der Großeltern, das ständige Hadern mit sich selbst, die ständige Frage, warum die Schauspielschule ihn bei seinen miserablen Leistungen nicht einfach rauswirft bzw. warum er nicht selbst geht, wenn er sich mit der Schauspielerei nicht besonders wohl fühlt. Das alles war für mich eine ständige Wiederholung der gleichen Problematik, ohne, dass daraus ernsthafte Konsequenzen oder Veränderungen gezogen wurden. Ebenso die Komik – von der in vielen anderen Rezensionen gesprochen wird – konnte mich nicht wirklich packen. Manchmal wirkte sie mir sogar zu aufgesetzt (gerade im Bezug auf den Tod des Großvaters).

Das positive an der Geschichte war die Moral, die trotz der biografischen Darstellung doch recht deutlich hervortrat. Mit dem Verlust eines geliebten Menschen geht jeder anders um. Jeder hat seine eigene Art und Weise den Tod zu verarbeiten und einen Weg zu finden, damit zu leben. Jedoch ist es meist keine gute Entscheidung, Gefühle wie Trauer und Kummer zur Seite zu schieben, sie zu verdrängen, statt sie zu verarbeiten. In Joachims Fall hat ihn das gebremst, in seiner beruflichen und persönlichen Entwicklung, aber auch in seinem Selbst(wert)gefühl.

Selten ist es mir so schwer gefallen, ein Buch wie dieses zu bewerten. Der Kontrast zwischen einem anfangs sehr einnehmenden Schreibstil, dem Potenzial an biografischen Umständen und der meiner Einschätzung nach schwächelnden Ausführung lässt mich doch sehr hilflos und gelangweilt zurück. Das Buch hat sicher eine Chance verdient – für mich war es leider nichts.


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Vielen Dank an den KiWi Verlag für das Rezensionsexemplar!
Habt ihr Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke schon gelesen?
Steht es auf eurer Wunschliste?
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.
 
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Das Urheberrecht des Klappentextes unterliegt dem KiWi Verlag.
Das Urheberrecht des Titelbilds unterliegt einzig und allein der Blogredaktion.

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